En Garde

ich hab die bretter an der wand gezählt
und bin sie zweimal durchgegangen
erst zählte ich sie von rechts nach links,
um dann von links rechts anzugelangen
ich gab die zahl in meinen taschenrechner ein
ließ sie mit sich selbst multiplizieren
das ergebnis war phänomenal,
darauf teilte ich es durch 7 hoch 8
ich schrieb es auf - 3 mal
und vergrub das papier mitten in der nacht

im garten liegt die antwort metertief
- auf alle fragen im dreck vergraben
zwischen sellerie und blumenkohl
völlig unentdeckt fühlt sie sich wohl

irgendwann hab ich sie dann doch rausgeholt,
denn die aktualität denkt pragmatisch
ich zog die 4.√ 5 - die umweltkatastrophen
die quadratzahl addierte ich zu jedem krieg,
den es nach den beatles gab oder gibt
und jedes opfer, jeden vogel, jedes zertretene insekt
hab ich mal π genommen und mit in den sack gesteckt
die zahl war lang, sie paßte gar nicht aufs papier
und seitdem ich sie ganz las, fürchte ich mich vor ihr

das hab ich doch schon mal gehört
nur kann ich mich nicht erinnern
gedanken bloß zur schau gestellt
oder tot gequält
auf der folterbank leises wimmern
in meinem kopf ist eine tür
der notausstieg für den passagier,
der in mir lebt, der in mir lacht
und bei bedarf das tor zumacht

am ende nichts
nur momente, die du nie vergißt
wenn es liebe ist

frederik war einer von vielen
ein soldat aus dem ameisenstaat
sicherlich sagen sie er kann nicht fühlen
und da haben sie recht
aber war er nicht glücklich und ein bißchen verrückt
erst gestern sagte er:
ich komme wohl nie mehr zurück

das ist mein leben und ein paar von euch können mich hören
sterbt meinetwegen, doch ich lasse mich wirklich nicht in meinen tod kommandieren

vielleicht noch heut hab ich euch endgültig satt
ich schleich mich raus und dann hau ich für immer ab

frederik liebte die menschen
wollte unbedingt zu ihnen ziehen
er meinte: die haben zucker und verständnis
für ameisen wie mich
leider trat ihn dann ein kind platt
an frederik hat man nie mehr gedacht

das ist mein leben, hat doch irgendwann jemand gesagt
sie überlegen und bestimmt erklingt heute nacht in einer ameisenstadt

vielleicht noch heut hab ich euch endgültig satt
ich schleich mich raus und dann hau ich für immer ab

du sagst mir, wie sehr dich fußball interessiert
dass du auf pogo stehst und dich selbst frisierst
deiner szene, schwörst du, bleibst du immer treu
du siehst dich selbstverwirklicht zwischen punk und oi!
erzähl von dir, sagst du, es interessiert mich sehr
naja du träumst vom riot, ich vom hyatt und vom meer

was ich will und was ich brauche um zu leben
ist ein rosa radio und ein swimmingpool auf'm klo
jedes wort, das du sagst
jeden satz, den du sprichst
hab ich schon mal gehört, doch das ändert nichts

die roten schnürsenkel in deinen 16 loch
sehen chic aus, wie war die frage noch?
das diktiergerät stellt sie mir noch mal
"wie siehst du dich, was ändert sich hättest du die wahl?"
in sachen leben bin ich autodidakt geblieben
ich möchte ein luftschloß bauen und alle frauen für immer lieben

was ich will und was ich brauche um zu leben
ist ein rosa radio und ein swimmingpool auf'm klo
jedes wort, das du sagst
jeden satz, den du sprichst
hab ich schon mal gehört, doch das ändert nichts
daran wie es ist

"jäger und sammler" lautet mein plan
nennt mich verrückt, erklärt mich für wahn-
sinnig ist die sache schon, denn die evolution
beflügelt durch die revolution startet von vorn
eine neue norm wird gebildet, der lohn
für das unternehmen lautet "zivilisation"
kein rückschritt sondern ein neuer beginn
nee, nee hörn'se mal, dass ist hier nicht drin
denn wo kämen wir hin, wenn das alle denken würden
du läufst nen schweren weg, doch auch meiner ist voll hürden
hindernisse, die es in ein paar tausend jahren nicht mehr gäb
doch auf mich hört ja keiner und mißversteht
mich nicht wenn ich sage, dass das ende dieser welt
so wie wir sie kennen nur für jene leute zählt,
die bloß sagen: das ist utopie

und jeden verfluchten tag, den ich ohne sie ertrag
ertrinke ich zwischen den zeilen, mag
der rest auch sagen, dass es nun mal besser geht
denn für träume ist es längst zu spät

na klar, doch wozu hab ich meinen kopf
wenn nicht zum denken
um die träume die ich habe auch noch wach zu lenken
um gedankengänge zu verrenken
eine idee auszuleben, auszukosten, auszuprobieren
alles nur in meinem kopf, alles nur in meinem hirn
was ist schon zeit?
kann der sagen, der unsterblich ist
jaja schön und gut, doch ich bin es nicht
lacht nur, wenn ich sage, dass das ende dieser welt
so wie wir sie kennen nur für jene leute zählt,
die bloß sagen: das ist utopie

was ist denn aus dem hype nur geworden
und wo sind all die richtigen sterne hin
fastfood klang und fließband kitsch
regieren den äther doch mein herz nicht
james dean fort, graceland leer
und karl-marx-stadt gibt's auch nicht mehr

ich hab den regen auch gesehen
er fiel schnell auf mein sonnenbrillengestell
ich hab den regen auch gesehen
glaub mir ich hab ihn gesehen

was ist denn aus dem hype nur geworden
und wo ist all der kult um die subkultur
68 in berlin versuchten sie die loveparade zu imitieren
ché ist tot, robin hood fantasie
und das disneyland sprüht vor untergrund-esprit

19-99 - die welt sie schien zu stehn
es war sommer ich hatte fieber
am baggersee wär ich viel lieber
dachten sie
doch es war ein übler plan
denn ich baute in mir viren an
die, einmal übertragen,
keine überlebenschancen gaben
und dann begann der sturm
nenn es bosheit oder glück
sechs milliarden warn verschwunden
und kamen nie mehr zurück

wenn ich heute drüber nachdenkt
weine ich

doch das ist nun mal die gefahr
für dich und mich war das schon klar
ob wir wollten oder nicht
auch ein schatten braucht das licht
doch sechs milliarden nicht

ich kann es einfach nicht beschreiben
ich ging durch städte und passagen
leergefegt - wo einst das treiben
bleiben nur endzeit-collagen
ihre welt war wohl zu groß
für einen kleinen gedanken wie diesen
nur die reue ist der trost
ich werd ihn wohl allein genießen

gestern kam ein brief, er war für mich
eine anschrift oder eine marke fand ich nicht
irgend jemand legte ihn vor meine tür
die paar zeilen, die ich las waren von mir
ich schrieb mir selbst einen schönen gruß
und dass ich das, was ich lese noch schreiben muss
alles gute dir, wie nett von mir

den kindern geht es gut
doch ich lebe mein eigenes leben
zukunftseinheitsbrei - nur mut
vielleicht geht nichts daneben nur

...mit dieser erkenntnis treten wir unser geistiges erbe an

ich hätte liebend gern noch mehr erfahren
was für diesen brief die gründe waren
ob er als warnung galt
und ich vielleicht bald nicht seh
wie ich voller überzeugung in die falsche richtung geh
wenn es jedoch so wichtig wär
schreibe ich mir ganz bestimmt noch mehr
zumindest werde ich, doch warum hab ich nicht?